Entscheidungsfreude

Ja, nein, vielleicht!? Was Entscheidungsfreude mit Optimierungswahnsinn zu tun hat

Schaut man sich insbesondere bei den Generationen Y und Z um, fällt auf, dass Entscheidungsfreude offenbar aus der Mode gekommen ist. Manch einer möchte sich ungern festlegen und lässt sich lieber alle Optionen offen bevor er eine vermeintliche Fehlentscheidung trifft. Es ist oft schwierig ein klares Commitment von den Betreffenden zu bekommen. Andererseits hadern immer mehr Menschen damit nicht zu wissen, wie sie sich entscheiden sollen. Was steckt hinter diesem Verhalten und wie geht man als Führungskraft damit um?

Keine Entscheidung ist besser als die falsche

Kleiner Exkurs: letztes Wochenende kam ich mit einer älteren Dame ins Gespräch. Recht schnell kam sie auf den Punkt und sagte mir, dass sie die „jungen Leute“ einfach nicht verstehen kann. Mehr noch: sie ist sauer auf die neue Generation, die so viel machen und ausprobieren kann und dennoch permanent unzufrieden ist. Die Dame erzählte mir, wie froh sie seinerzeit war, dass sie in die Schule gehen durfte und dass sie danach eine gute Anstellung in einer nahegelegenen Näherei bekommen hat. Als schließlich die Kinder kamen, war sie dann für viele Jahre raus aus dem Job. Sie gab offen zu, dass sie die „jungen Leute“ um ihre Freiheiten und die vielen Möglichkeiten beneidet: „Denen steht doch die Welt offen!“ Sie erzählte weiter, dass sie den Eindruck hat, dass junge Menschen gar nicht zu schätzen wissen, dass sie zwischen so vielen Alternativen wählen können. Und in diesem Moment kam mir der Gedanke, dass genau das auch das Problem ist! Wer viele Möglichkeiten hat, muss eine Entscheidung treffen und hat sozusagen „die Qual der Wahl“. Wer sich für A entscheidet, wählt automatisch B oder C usw. ab. Aber vielleicht wäre B oder C ja doch besser gewesen? Viele haben verinnerlicht, dass es eine „richtige“ und eine falsche Entscheidung gibt: schwarz-weiß also. Und keiner möchte sich falsch entscheiden. Das hat nicht selten maximale Unsicherheit und Unentschlossenheit zur Folge: lieber keine Entscheidung als eine falsche treffen…

 

Optimierungswahnsinn schränkt Entscheidungsfreude ein

Dazu kommt der omnipräsente Optimierungswahnsinn. Wir leben in einer Zeit, in der gut einfach nicht gut genug ist. Jeder optimiert sich und sein Leben selbst und wird vielerorts damit konfrontiert, dass jeder „Schmied seines Glückes“ ist. Optimiere Deinen Strom- oder Mobilfunk-Tarif! Perfektioniere Dein Aussehen und Deine Fitness! Du hast Deine Karriere selbst in der Hand! Schau Dir auf Instagram an, wie das gesündeste Frühstück der Welt aussieht! Nutze diese App, um jeden Deiner Schritte und Deinen Kalorienverbrauch zu erfassen! usw. Was gemerkt? Es geht überall noch besser und “perfekter“. Vor allem den Generationen Y und Z wird suggeriert, dass sie überall perfekt sein können, wenn sie es nur selbst in die Hand nehmen und wirklich wollen. Aber dieser Optimierungswahnsinn ist tückisch: niemand ist perfekt und jeder Versuch es zu werden, ist zum einen anstrengend und zum zweiten zum Scheitern verurteilt. Es gibt immer noch etwas, was man besser machen kann oder einen Bereich, der noch nicht ausreichend optimiert ist. Man kommt also nie an, darf nie zufrieden sein und sich „auf seinen Lorbeeren ausruhen“. In diesem Dilemma stecken immer mehr junge Menschen und sitzen schließlich beim Coach und fragen ihn und sich, was sie überhaupt selbst wollen und warum sie so unzufrieden sind. Manch einer wünscht sich, dass ihm die Entscheidungen abgenommen werden oder sie erst gar nicht so viele Wahlmöglichkeiten hätten. Und damit sind wir wieder bei der älteren Dame. Die hatte kaum Entscheidungsspielräume in ihren jungen Jahren: zum einen fehlten Ihr die Informationen und zum anderen gab es tatsächlich einfach nur wenig Auswahl. War sie deshalb unzufrieden oder unglücklich? Nach ihrer Aussage nicht. Ganz im Gegenteil: ihr hat sich die Frage nach dem persönlichen Glück damals gar nicht gestellt. Sie hat einfach ihr Leben gelebt und sich mit dem zufrieden gegeben, was sie hatte.

 

Anerkennung als Führungswerkzeug

Was hat das nun mit der Arbeit als Führungskraft zu tun?  Zum einen tappen nicht wenige Führungskräfte selbst in diese Optimierungsfalle und wollen für sich, ihr Team und den Arbeitgeber stets das Beste erreichen. Daran ist auf den ersten Blick sicherlich nichts falsch. Auf den zweiten Blick kann dieses Streben jedoch auch direkt in die Überforderung und schließlich sogar in einen Burnout führen. Aber auch das Führen von Mitarbeitern der Generationen Y und Z ist vor diesem Hintergrund eine Herausforderung. Junge Mitarbeiter legen sich ungern fest: unterschreiben z.B. Arbeitsverträge und sagen dann doch kurzfristig ab, schieben Urlaubspläne auf die lange Bank oder beschäftigen sich im Meeting parallel noch mit anderen Dingen auf ihrem Handy oder dem Laptop. Anerkennung und Wertschätzung waren zwar schon immer wichtige Führungsinstrumente, sind aber inzwischen wichtiger denn je. Geben Sie ihren Mitarbeitern das Gefühl, dass sie einen guten Job machen und erkennen sie deren Leistung an. Oft werden im Mitarbeitergespräche nur die Bereiche mit „Optimierungspotenzial“ intensiv bearbeitet. Das gibt ihrem Mitarbeiter jedoch wieder das Gefühl, dass er nicht gut genug ist und sich weiter optimieren muss. Natürlich ist Weiterentwicklung wichtig und es gehört zu den zentralen Aufgaben einer jeden Führungskraft, dass ihre Mitarbeiter ihr Potenzial ausschöpfen. Aber die Anerkennung der Leistungen, die bereits auf einem zufriedenstellenden Level sind, darf dabei nicht zu kurz kommen. Was läuft bereits gut? Wo übertrifft der Mitarbeiter sogar die Erwartungen? Wofür schätzen Sie ihn/ sie besonders? usw.

 

Entscheidungsfreude im Team fördern

Auch beim Thema Entscheidungsfreude können und sollten Sie Ihre Mitarbeiter unterstützen. Die wenigsten operieren tatsächlich am offenen Herzen und müssen überlebenswichtige Entscheidungen treffen. Das kann man sich nicht oft genug vor Augen führen. Viele einmal getroffene Entscheidungen können später korrigiert oder durch weitere Entscheidungen ergänzt werden. Zerlegen Sie mit Ihrem Mitarbeiter zum Beispiel eine große Entscheidung in mehrere kleine Entscheidungen- das entlastet oft. Besprechen Sie welche Vor- und Nachteile jede Option hat, aber klären Sie auch die „Kosten“, die eine Nicht-Entscheidung mit sich bringt. Egal, wie oft man die Optionen hin und her dreht- man wird erst in der Zukunft wissen, was seine Entscheidung zur Folge hat. Zumindest meine Erfahrung hat mich gelehrt: Jede Entscheidung ist besser als gar keine.

 

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